Nach Porto in Richtung Süden wird die Landschaft zunehmend flacher, die Strände breiter und die ersten Etappen des Eurovelo-1-Radweges beginnen. Meist ist er rot asphaltiert, verläuft parallel zur Straße und ist durch teilweise hohe Barrieren vom Verkehr getrennt. Allerdings endet er aber öfters unvermittelt und man fragt sich wo es eigentlich weitergeht.

 

 

Etwa 50 Kilometer führt die Route über eine Halbinsel entlang der Ria de Aveiro, einer lagunenartigen Wasserlandschaft, in der unter anderem Flamingos leben und mit etwas Glück auch zu sehen sind. Am Ende der Halbinsel setzt man per Fähre über in einen Ort, dessen bunte und farbenfrohe Häuser eher an Schweden als an Portugal erinnern.

 

 

Bei Palheiros da Tocha verbrachten wir die Nacht auf einem Campingplatz mit angeschlossenem Surfcamp und konnten dort zum ersten Mal die coole Surf-Community erleben. Über Figueira da Foz bewegten wir uns langsam Richtung Nazaré, das Surfern weltweit für seine legendären Wellen von bis zu 30 Metern Höhe bekannt ist. Solche Monsterwellen gibt es allerdings nur im Winter – laut Wellenvorhersage-App waren es bei uns „nur“ 2,5 Meter.

Danach zog es uns ein Stück ins Landesinnere, in den mittelalterlichen Ort Óbidos mit seiner gut erhaltenen Burganlage und Stadtmauer. Den Wehrgang kann man auf eigene Gefahr begehen: knapp ein Meter breit, ohne Geländer, und definitiv nichts für Menschen mit Höhenangst.

Zurück an der Küste landeten wir in Ferrel und mieteten wir uns für drei Tage ein Apartment. Einfach mal durchatmen und das ganz normale Leben genießen.

Beim Überqueren einer Grenze in ein neues, bisher unbekanntes Land vergleicht man unwillkürlich Eindrücke mit dem, was man von zuhause oder aus dem zuletzt bereisten Land kennt. Und so fiel uns in Portugal so einiges auf – manches charmant, manches… nennen wir es „gewöhnungsbedürftig“.

Als Radfahrende stellten wir schnell einen deutlichen Unterschied zu Spanien fest: Während die Autofahrenden dort eher defensiv und rücksichtsvoll unterwegs sind, gelten Radfahrende in Portugal offenbar eher als lästiges rollendes Hindernis, das den Verkehrsfluss behindert und möglichst schnell überholt werden muss. Minimaler Abstand ist kein Problem, soll das Hindernis doch weiter rechts fahren, da gibt es schliesslich noch Sträucher und anderes Gehölz, das im Notfall den Sturz abfedern könnte. Ausweichen oder gar Bremsen ist völlig unnötig und sorgt zudem für erhöhten Spritverbrauch und Abnutzung von Bremsbelägen und Reifen.

Ganz so schlimm ist es nicht, aber der Unterschied zu Spanien ist doch frappierend.

Erschwerend kommt hinzu, dass im Norden abseits der Hauptstraßen fast ausschließlich Kopfsteinpflaster liegt. Lediglich die großen Hauptstraßen sind geteert, der Rest mit für Radfahrende unangenehmem Kopfsteinpflaster belegt. Da kann man zwischen langsamer und  sehr unangenehmer Fahrt auf Nebenstraßen oder todesmutiger Fahrt in normaler Geschwindigkeit auf der Haupstraße wählen. Da sich nach spätestens drei Kilometern Kopfsteinpflaster zuverlässig schlechte Laune einstellt, haben wir uns oft für die Hauptstraße entschieden.

Erst weiter südlich gibt es die weitgehend schön ausgebaute Eurovelo-1-Atlantik-Küstenroute, die der Küste entlang führt und geteert ist. 🙂

Eine weitere Auffälligkeit ist die geänderte Kopfbewegung beim Grüßen. Nach wochenlang langwierig antrainiertem „Kopfhoch“-Grüßen in Spanien heißt es jetzt stattdessen wieder Kopfnicken. Abwechslung für die Nackenmuskeln tut gut, mal sehen welche Bewegungsinnovation als nächstes kommt.

Ein Dauerbrenner auf einer Radreise ist die Versorgung mit ausreichend Kalorien. In Portugal heißt die Antwort darauf „Pastel de Nata“. Diese kleinen Blätterteig-Bomben gibt es praktischer Weise an jeder Ecke, und sie liefern zuverlässig alles, was der Körper und vor allem die Seele braucht. Ohne tägliche Kilometer würden wir wahrscheinlich kugelrund nach Hause rollen.

Kommen wir zu einem sehr deutschen Thema, der Mülltrennung. Hier waren die südeuropäischen Länder ja lange Zeit eher zurückhaltend unterwegs, aber das hat sich grundlegend geändert. Bereits in Spanien hat sich das Gelb-, Grün-, Blau- und Schwarz-System (gelb – Verpackung, grün – Glas, blau – Papier und schwarz – Restmüll) als durchgehend etabliert gezeigt, in Portugal wird es definitiv zur Vollendung gebracht. Hier steht gefühlt an jeder Ecke ein Viererpack Mülleimer, die sowohl bei den Tüten als auch bei den Behältnissen selbst farblich codiert sind. Vermutlich wird das Farbsystem mittlerweile spätestens im Kindergarten vermittelt.

Auffällig war auch die hohe Zahl deutscher und anderer ausländischer Touristen. In Spanien hatten wir unterwegs und auf den Campingplätzen nur selten nichtspanische Autokennzeichen gesehen, doch kaum über die Grenze nahm der Anteil merklich zu. Bereits auf dem zweiten Campingplatz stießen wir dann auch gleich auf ein Wohnmobil mit Karlsruher Kennzeichen (Sabine und Ulf in Bilbao zählen nicht).

Am dritten Tag in Portugal erreichten wir schließlich die wunderschöne Stadt Porto. Dort gönnten wir uns zwei Tage Auszeit im Hotel und ließen die Atmosphäre auf uns wirken. Ein besonderes Highlight war der Besuch in einem Portweinkeller – selbstverständlich mit anschließender Verkostung.

Um nach Galizien zu gelangen, muss man als Wandernder oder Radfahrender die Brücke über die Bucht von Ribadeo bzw. den Grenzfluss Eo überqueren. Das klingt zunächst unspektakulär, ist in Wirklichkeit aber nichts für schwache Nerven. Der schmale Weg, kaum einen Meter breit, wurde an die rund 500 Meter lange Autobahnbrücke „angeheftet“. Links rauschen in nur einem Meter Entfernung die großen LKWs vorbei, rechts schützt lediglich ein sehr niedriges Geländer. Mein Lenker und sogar mein Sattel ragten höher hinaus als diese dürftige Sicherung. Dazu wehte ein kräftiger Wind. Ich, der normalerweise NIE absteigt, habe es hier doch vorgezogen zu schieben.

Der gruselige Weg über den Eo

 

Noch lacht Katrin …

 

Entlang der Nordküste ging es weiter bis nach O Barqueiro, dem nördlichsten Punkt unserer Reise durch Spanien. Bei Cedeira, unserem nordwestlichsten Ziel, verbrachten wir nach vielen Wochen erstmals eine Nacht in einem Hotel – und was für einem: Petra und Manuel haben sich hier in den Bergen vor neun Jahren ein altes Haus gekauft, liebevoll restauriert und mit sechs Katzen zu einem gemütlichen Zuhause gemacht, das sie nun auch mit Gästen teilen. Es war unser letzter Tag, bevor wir die Richtung wechselten: Von nun an führte uns der Weg nicht mehr nach Westen, sondern nach Süden.

Kaum hatten wir die Richtung gewechselt und die Berge hinter uns gelassen, wurde es spürbar wärmer. Den ersten Abend in Richtung Süden verbrachten wir auf einem Campingplatz mit gleich zwei Stränden und erlebten dort einen traumhaften Sonnenuntergang an der Westküste.

Am nächsten Tag erreichten wir A Coruña – endlich wieder städtische Infrastruktur. Und wieder einmal ein Hotel: vier Sterne, ein riesiges Bett, in dem wir uns beinahe verloren haben.

Als nächstes Etappenziel lockte der Praia de Baldaio, ein endlos weiter Sandstrand, bevor es am nächsten Tag rund 1000 Höhenmeter und 65 km bis hinauf nach Santiago des Compostela ging. Wir sind zwar keine Pilger im eigentlichen Sinne, doch nach so vielen „buen camino“ unterwegs und so vielen gemeinsam geteilten Kilometern, fühlte sich dieser kleine Umweg für uns fast wie eine Pflicht an. Die Zahl der Besucher war überraschend gering, und so schafften wir es tatsächlich, gleich morgens um 7:30 Uhr die Kathedrale zu besuchen.

Von Santiago aus ging es entspannt bergab zurück an die Küste. Der Camino ließ uns nicht los – oder wir ihn nicht –, denn nun folgten wir dem Camino Portugués. Die Zahl der Pilger überraschte uns, ebenso der auffallend hohe Anteil deutscher Wandernder. Ganze Gruppen kamen uns entgegen, manche sogar klassische Wanderliedern singend.

Bei Cangas setzten wir mit der Fähre nach Vigo über und folgten weiter der Küste Richtung Portugal. Zwei stürmische Tage später erreichten wir schließlich bei A Guarda, den Grenzort zu unserem dritten Reiseland. Nur eine kurze Fährfahrt trennte uns von Portugal – doch das Schiff lag defekt und nutzlos am Strand auf dem Trockenen.

Zum Glück gab es eine pragmatische Lösung: Ein kleines Taxiboot pendelte zwischen den Ufern und brachte Pilger, Touristen und auch uns sicher auf die andere Seite.

Auf Wiedersehen, Spanien……