Nach unserem Start in Tanger und einem Abstecher in die ländlichen Regionen erreichten wir nach fünf Tagen wieder die Zivilisation – die Stadt Fès 😀.

Hier prallen Tradition und Moderne aufeinander: Der Weg zur Medina führt über einen sechsspurigen, rund fünfzehn Kilometer langen Boulevard – besenrein, makellos gepflegt und gesäumt von modernen Bauten, Neubauvierteln und Einkaufszentren. Doch irgendwann biegen wir ab – hinaus aus dieser „brave new world“, hinein durch ein Tor in der alten Stadtmauer und schließlich durch das berühmte blaue Tor, das Bab Boujloud, mitten ins lebhafte Getümmel der Medina.

Mit unseren bepackten Rädern wird es in den engen Gassen gelegentlich etwas knapp. Zum Glück haben wir den oberen Eingang gewählt, denn es geht stellenweise steil bergab. Nach kurzem Suchen – und mit ein wenig freundlicher Unterstützung – finden wir schließlich unser Dar, eine traditionelle Unterkunft inmitten der Altstadt. Die Räder müssen noch durch die schmale Eingangstür und einen engen Gang, bis sie schließlich im kleinen Innenhof stehen – der gleichzeitig als Wohnzimmer dient.

Unser Zimmer liegt im Erdgeschoss: dunkel, leicht muffig, ein bisschen wie eine Zeitreise. Nach kurzer Diskussion bekommen wir jedoch ein kleineres Zimmer im zweiten Stock – deutlich luftiger und mit einem Hauch von Licht und Weite. Der Aufstieg über die steile, enge Treppe ist mit Gepäck zwar eine kleine Herausforderung, doch die Mühe lohnt sich. Oben erwartet uns eine Dachterrasse mit wunderbarem Blick über die Dächer der Medina – ein Ort, an dem man den Tag perfekt ausklingen lassen kann.

Für den nächsten Tag haben wir eine Führung durch die Medina gebucht. Unser Guide erweist sich als großartige Quelle für Geschichten und Details. So lernen wir etwa, dass viele Türen zwei Klopfer haben – mit unterschiedlichem Klang und auf unterschiedlicher Höhe: der untere, kleinere für Familienangehörige, der obere für Fremde. Beim vertrauten Klang des unteren können die Frauen des Hauses die Tür ohne Verschleierung öffnen. Auch die Postzustellung in der Medina folgt einem eigenen System: Briefe und Pakete werden nicht direkt an die Empfänger geliefert, sondern an einen beauftragten Nachbarn, der sich um die Verteilung kümmert.

Mitten in der Medina befindet sich außerdem laut Guinness-Buch die älteste Universität der Welt – die al-Qarawiyyin. Da sie zugleich eine Moschee ist, dürfen sie nur Muslime betreten. In Marokko ist der Zutritt zu Moscheen für Nichtmuslime grundsätzlich nicht gestattet, einzige Ausnahme ist die Hassan-II.-Moschee in Casablanca.

Nach zwei intensiven Tagen in Fès zieht es uns weiter nach Meknès, wo wir in einem wunderschönen Riad mitten in der Medina unterkommen. Der Innenhof ist größer, grün bepflanzt und erfüllt vom Zwitschern der Vögel – eine kleine Oase der Ruhe. Auch unser Zimmer ist geräumiger, die Treppen breiter, das Licht weicher. Im Vergleich zu Fès wirkt die Medina von Meknès ruhiger, entspannter, fast gelassen. Am zweiten Tag – einem Freitag – bleiben die meisten Geschäfte geschlossen, was die friedliche Atmosphäre noch verstärkt. Am Abend genießen wir ein herrliches marokkanisches Essen in einem traditionellen Restaurant – so gemütlich, dass man das Gefühl hat, im Wohnzimmer des Besitzers zu sitzen.

Nach zwei Nächten geht es weiter Richtung Küste, nach Rabat, der Hauptstadt Marokkos. Schon etwa 15 Kilometer vor der Stadt spürt man den Unterschied: Die Straßenränder sind makellos sauber, das Grün gepflegt, die Rasenstreifen akkurat getrimmt. Überall sind Menschen damit beschäftigt, zu bewässern, Blätter aufzusammeln, Bäume und Palmen zu stutzen oder Gehwege zu kehren. Sogar Radwege gibt es plötzlich! Ein krasser Gegensatz zu den ländlichen Regionen, durch die wir zuvor gefahren sind.

   

Um die weit auseinanderliegenden Sehenswürdigkeiten zu entdecken, gönnen wir uns eine Tour mit einem elektrischen Fahrradtaxi – ein ungewohntes, aber wunderbares Gefühl, sich einmal fahren zu lassen. Wir lehnen uns zurück, lassen die Stadt an uns vorbeiziehen und genießen einfach den Moment.

Viel Spaß beim Anschauen der Fotogalerie. Hinweis: Einfach ein Bild der Galerie anklicken, dann erscheinen die einzelnen Bilder größer.

 

Heute, kurz vor dem Ende unserer Etappe von Meknés nach Khémisset, haben wir einen weiteren besonderen Moment erlebt: Der Kilometerzähler hat die 5.000-Kilometer-Marke überschritten!  🎉 
Einerseits fühlt es sich an, als wären die ersten Kilometer gerade erst vergangen – die Erinnerungen an den Start sind immer noch präsent. Andererseits ist es kaum zu glauben, wie weit wir inzwischen gekommen sind. 5.000 Kilometer und 112 Tage – das ist eine ganze Menge Straße, Wind, Sonne, Höhenmeter und unzählige kleine Abenteuer unterwegs.

Was uns besonders freut: Seit dem ersten Tag bis hierher keine einzige Panne, kein einziger Platten!

Drückt uns die Daumen, dass das Glück uns weiterhin begleitet.

Nach einer kurzen Überfahrt erreichten wir Tanger – jene Stadt, die ich nach einer ziemlich üblen Erfahrung vor vielen Jahren eigentlich nie wieder betreten wollte. Doch diesmal kam alles anders, und wir wurden wirklich positiv überrascht.

Unser Plan lief reibungslos: Zuerst Geld am Automaten abheben, dann zu Orange und Maroc Telecom, um zwei lokale SIM-Karten zu besorgen, und schließlich hinein in die Medina zu unserem gebuchten Dar. Ein Dar ist ein traditionelles Haus mit Innenhof; ein Riad dagegen verfügt über einen größeren, oft begrünten Innenhof. Die Zimmer, Türen und Fenster sind dabei stets zum Innenhof hin ausgerichtet.

Der Weg durch die engen Gassen der Medina mit unseren vollbepackten Räder, war ein kleines Abenteuer für sich. Doch schließlich erreichten wir unser Ziel wohlbehalten. Die Fahrräder wurden entladen und anschließend durch einen schmalen Gang ins Haus gebracht, wo sie neben der kleinen „Rezeption“ ihren Platz fanden.

Am Abend genossen wir unser erstes marokkanisches Essen in einem kleinen Restaurant und machten uns danach an die Feinplanung unserer bevorstehenden Tour. Aufgrund zahlreicher positiver Reiseberichte entschieden wir uns, zunächst nicht der Küste zu folgen, sondern einige Sehenswürdigkeiten und Städte im Landesinneren zu besuchen.

Unser erster Reisetag führte uns in Richtung Tétouan. Die gesamte, von Komoot geplante Strecke erschien uns mit über 80 Kilometern und rund 1.400 Höhenmetern allerdings etwas zu ambitioniert für den Auftakt. Deshalb wollten wir unterwegs in einem kleineren Ort übernachten.

Schon wenige Kilometer außerhalb von Tanger bogen wir auf eine Nebenstraße ab. Mit der zunehmenden Hitze wurden auch die Steigungen anspruchsvoller. Teilweise blieb uns nichts anderes übrig, als zu schieben. Leider waren auch die darauffolgenden Abfahrten so steil und die Straßen so schlecht, dass wir nur langsam vorankamen.

Als wir schließlich einen größeren Ort erreichten, stellten wir ernüchtert fest, dass es dort keine Möglichkeit zur Übernachtung gab. Die einzige Empfehlung lautete: „Noch etwa 25 Kilometer weiter bis Tétouan.“ Zum Glück fanden wir eine Route entlang eines Flusses – fast ohne Steigungen, dafür mit kräftigem Gegenwind.

Endlich in Tétouan angekommen, machten wir uns in der Medina auf die Suche nach unserem Riad. Kein Navigationssystem kannte die Adresse, doch ein freundlicher Passant führte uns schließlich zu einer schmalen Gasse, an deren Ende ein grünes Stahltor ohne jede Beschriftung stand – der unscheinbare Eingang zu unserem „Hotel“.

Nach einem kurzen Abendessen fielen wir erschöpft, aber glücklich, in unserem schönen Zimmer ins Bett und schliefen tief und fest.

Am zweiten Tag stand die Etappe nach Chefchaouen auf dem Plan – und das bedeutete zunächst einmal 40 Kilometer bergauf. Die Steigung war zwar moderat, aber stetig. Kaum hatten wir Fahrt aufgenommen, lernten wir ein Wetterphänomen kennen, das uns inzwischen völlig fremd geworden war: Regen.

Tatsächlich mussten wir unsere Regenklamotten aus den Tiefen der Taschen hervorkramen und uns damit abfinden, den langen Anstieg von innen und außen feucht zu bewältigen. Trotz des Wetters genossen wir die Landschaft und die immer wieder auftauchenden kleinen Dörfer, die uns aber leider nur sehr beschränkte Einkaufs- und keine Essensmöglichkeit boten.

Am dritten Tag setzten wir unsere Reise in Richtung Fès fort. Die Strecke führte durch einsame Gebirgslandschaften, vorbei an Olivenhainen und kleinen Flüssen. Unser Tagesziel war ein kleiner Campingplatz in Belotta mitten im Nirgendwo. Dort gab es zur Belohnung eine frisch gekochte Tajine und zum Frühstück Omlett mit Oliven.

Auch am vierten Tag ging es weiter Richtung Fès. Am späten Nachmittag landeten wir schließlich an einer Tankstelle bei M’kanssa. Dort durften wir das Zelt neben dem angeschlossenen Restaurant aufschlagen. Die „Dusche“ bestand aus einer Stehtoilette mit Eimer, aber immerhin gab es Wasser. Zum Abendessen servierte man uns ein Omelett und ein paar Oliven – nicht gerade ein Festmahl, aber Hauptsache ein paar Kalorien.

Am nächsten Morgen gab es erneut Omelett mit Oliven zum Frühstück, bevor wir uns wieder auf die Räder schwangen und die letzten Kilometer nach Fès in Angriff nahmen.

Die ersten fünf Tage waren mit all ihren Schwierigkeiten eine wirklich harte Landung. Die Straßen, der Staub, der überall herumliegende Müll, die Verständigungsprobleme, die Armut in den ländlichen Gebieten, das ungewohnte und spärliche Essen, die eingeschränkten Einkaufsmöglichkeiten und die beschränkten Übernachtungsmöglichkeiten stellten uns auf eine echte Bewährungsprobe.

 

Hier ein kleiner Überblick über unsere Strecke durch Spanien – damit ihr euch besser vorstellen könnt, wo wir unterwegs waren.

1. Einreise:   29.07.2025
1. Ausreise:  29.08.2025
Kilometer:   1.343 km

2. Einreise:  30.09.2025
2. Ausreise: 09.10.2025
Kilometer:   424 km

 


Zurück in Spanien – diesmal ganz im Süden, in Andalusien.
Kaum angekommen, bringt uns die Zeitumstellung erstmal etwas aus dem Rhythmus. Eine Stunde Unterschied – klingt harmlos, oder? Aber irgendwie fühlt sich alles verschoben an. Die Sonne geht erst nach acht auf, und abends machen die Restaurants erst um halb neun Uhr auf.

Durch die vielen Sumpfgebiete und Flussmündungen können wir leider nicht direkt am Meer entlangfahren. Immer wieder zwingen uns Umwege durchs Hinterland. So richtig bewusst wird uns das kurz vor Huelva: Wir landen auf einem fast leeren, herrlich ruhigen Campingplatz in Meeresnähe. Vor uns liegt das riesige Naturschutzgebiet Parque Nacional de Doñana. Für Autos und Fahrräder ist der Park gesperrt, nur am Rand, über den Sandstrand, dürfen wir weiter.

Auf dem Strand kommt man nur während etwa zwei Stunden vor und nach der Ebbe halbwegs gut voran. Die Tidezeiten liegen zum Zeitpunkt unserer geplanten Fahrt außerhalb der Öffnungszeiten des Nationalparks. Das heißt für uns: Kein Strandabenteuer, sondern ein großer Umweg durchs Landesinnere.

 

Auf unserem Umweg passieren wir eine beeindruckende Saline und bewundern herumstehende Flamingos in den Becken. Dann lassen wir Huelva hinter uns und tauchen langsam ins ruhigere Hinterland ein. Irgendwann endet die Straße im sprichwörtlichen Nirgendwo und genau dort finden wir ein kleines alternatives Camp. Einfach, aber herzlich. Wir werden sofort freundlich empfangen.

 

Unsere weiteren Tage bestehen größtenteils aus weiten, eher eintönigen Landschaften und es ist richtig heiß. Die Sonne brennt gnadenlos auf uns herab und selbst kleine Schattenstellen sind nur selten auszumachen.

In Dos Hermanas erleben wir einen kuriosen Moment: Abends im Restaurant wird unsere Pizza von einem Roboter serviert, dabei haben wir die Bestellung noch ganz analog aufgegeben. Technik, die gleichzeitig beeindruckt und verwirrt!

In El Cuervo de Sevilla müssen wir mangels Campingplatz auf ein Hotel ausweichen. Von dort geht es weiter über Jerez de la Frontera nach Chiclana de la Frontera. Auf der Campingwiese angekommen, sehen wir nur ein Zelt stehen – unseres. Absolute Ruhe, völlige Einsamkeit, einfach perfekt für eine Nacht unter dem weiten Himmel Andalusiens.

Am nächsten Tag sehen wir endlich wieder das Meer! Der Radweg ist wunderschön ausgebaut und führt uns durch schattige Pinienwälder, vorbei an einigen Golf-Resorts und zahlreichen verschlossenen Ferienvillen. Das Blau des Atlantiks begleitet uns dabei immer in Sichtweite – ein herrliches Gefühl nach den langen Umwegen durchs Landesinnere.

In Zahara de los Atunes schlagen wir zum vorerst letzten Mal auf europäischem Boden unser Zelt auf. Unser Ziel und Fährhafen, Tarifa, ist nur noch 30 Kilometer entfernt. Nur 30? Die haben wir uns hart erkämpft: Extremer Berganstieg, weiter über Stock und Stein, bis wir schließlich die Räder über einen Zaun hieven müssen.

Das Vorankommen wird zusätzlich durch heftigen Gegenwind zur zähen Angelegenheit – Windstärke 45 km/h. Immer wieder zwingen uns seitliche Böen zum Anhalten, damit wir nicht entweder auf die Fahrbahn oder in den Straßengraben gepustet werden. Radfahren wird hier zur echten Balanceübung!

Und dann: Ankunft in Tarifa! Wir bleiben zwei Tage, genießen die zum Zimmer gehörende Dachterrasse, lassen die Beine baumeln und tanken Kraft. Während wir den Wind beobachten, rüsten wir uns für die nächste Etappe: Marokko wartet.

Adios España !